Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat weltweit eine regelrechte Schockwelle ausgelöst – und dies vor allem auf humanitärer Ebene.

Über 15 Tage dauert nun schon der bewaffnete Konflikt, und die Bilanz wiegt äußerst schwer: Er hat bereits Hunderte von Menschenleben gekostet und unermessliches menschliches Leid über die Zivilbevölkerung gebracht. Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen haben bereits mehr als zwei Millionen Menschen ihre ukrainische Heimat verlassen müssen. Die Banque de Luxembourg bringt ihr tiefes Mitgefühl und ihre Solidarität mit den Opfern dieses Krieges zum Ausdruck.

Es fällt schwer, in diesen Tagen über die Finanzmärkte zu schreiben. Nichtsdestotrotz möchten wir die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen dieses Krieges zur Sprache bringen.

Der weltweite Aktienmarkt verzeichnet seit Jahresbeginn einen Rückgang von knapp 10 %. Dabei beobachten wir eine starke Aufspaltung dieser Wertentwicklungen, und zwar sowohl in geografischer Hinsicht (Underperformance in Europa – Outperformance in den Schwellenländern, angetrieben von Asien und Lateinamerika) als auch auf Branchenebene (Underperformance von zyklischem Konsum und IT – Outperformance des Energiesektors).

Die Korrektur der Risikopapiere ist im Wesentlichen auf die Befürchtungen zurückzuführen, dass sich das Wachstum im Zusammenhang mit einer hohen Inflation deutlich abschwächen werde. Vor allem in Europa macht sich wieder die Angst vor einer Stagflation breit. Ein solches Szenario wird nicht ohne Folgen für die Unternehmensgewinne bleiben. In diesem beunruhigenden Zusammenhang steigen die Risikoaufschläge wieder an. Die am Index VIX gemessene Volatilität zeigt einen kräftigen Anstieg und erreicht ihren höchsten Stand seit Jahresbeginn.

Fluchtwerte wie Gold oder US-Staatsanleihen dienten seit Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine als Puffer und verzeichnen eine positive Wertentwicklung.

Aussichten zum globalen Wachstum nach unten korrigiert

Die Aussichten zum globalen Wachstum werden nach unten korrigiert. Dennoch ist es derzeit gewagt, das Ausmaß dieser Korrektur einschätzen zu wollen. Sie wird abhängen von der Dauer des Konflikts, den wirtschaftlichen Folgen der internationalen Sanktionen gegen Russland, den möglichen Vergeltungsmaßnahmen Russlands und vor allem der Entwicklung der Rohstoffpreise.

Die Veröffentlichung der Frühindikatoren PMI und ISM in den kommenden Monaten dürften einen ersten Anhaltspunkt zum Ausmaß der Verschlechterung der globalen Konjunktur geben. Europa wird besonders beeinträchtigt sein, eine Rezession ist nicht auszuschließen – der Grund ist seine sehr starke Abhängigkeit von russischen Energie-Importen. 2021 kamen beispielsweise rund 40 % der Erdgaslieferungen in die EU aus Russland. Die Volkswirtschaften in den USA und China dürften sich stabiler behaupten können.

Starker Anstieg der Inflation

Das Szenario einer rasch sinkenden Inflation muss endgültig verworfen werden. Auch der explosionsartige Anstieg der Energie- bzw. ganz allgemein der Rohstoffpreise wird die Inflationszahlen in den kommenden Monaten weiter stützen. Der Gaspreis in Europa ist seit Anfang des Jahres um über 100 %* gestiegen; Rohöl der Sorte Brent, das Referenzprodukt aus der Nordsee, hat sich um über 50 %* verteuert. Solche Preissteigerungen werden sich negativ auf das Vertrauen – insbesondere auf das der Verbraucherinnen und Verbraucher – auswirken, da diese einen beträchtlichen Verlust ihrer Kaufkraft erleiden.

In den USA lag die Teuerungsrate im Februar bei 7,9 % und damit auf ihrem höchsten Stand seit Beginn der 1980er-Jahre. In der Eurozone erreichte der Preisauftrieb 5,8 %. Wir bewegen uns in einem Umfeld, das der Situation nach den zwei Ölpreisschocks in den 1970er-Jahren ziemlich ähnelt.

Zentralbanken im Hinterhalt

Zu diesem Zeitpunkt ist eine weniger expansive Geldmarktpolitik – gerade in den USA – nach wie vor hochaktuell. Die Verschärfung der finanziellen Rahmenbedingungen (Anstieg der Risikoprämien auf Aktien, höhere Credit Spreads etc.) dürfte tatsächlich die Zinsschritte in den USA nicht merklich verändern. Momentan rechnen die Märkte mit 5 bis 6 Zinserhöhungen bis Ende 2022. In der Eurozone wird eine erste Anhebung der Zinsen bis Dezember 2022 erwartet, wobei dies klar von der Entwicklung der Wirtschaftsdynamik abhängen wird. Eine wesentliche Verschlechterung der europäischen Konjunktur würde mit Sicherheit jeglichen Versuch der EZB zunichtemachen, die Geldpolitik zu straffen zu wollen.

* Zahlen vom 11. März 2022

Artikel von

Damien Petit, Sales Director Private Banking bei der Banque de Luxembourg


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Michael Schaal
Head of German Desk

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